Ich habe gar keinen Zugang zu meinem Bauchgefühl,
zu meiner inneren Stimme.
Ich lasse mich viel zu sehr von anderen Menschen beeinflussen und
weiß dann gar nicht mehr, was ich wirklich möchte.
Ich verlasse mich lieber auf meinen Verstand.
Diese Aussagen höre ich immer wieder von Menschen, die vor einer wichtigen Entscheidung stehen.
Um es ganz klar zu sagen: Ich empfinde den Verstand als sehr wichtig und sehe ihn als Grundlage dafür, dass Intuition und Bauchgefühl erst funktionieren können. Damit meine ich aber nicht reine Kopfentscheidungen, bei denen das Bauchgefühl nichts zu sagen hat. Denn meiner Meinung nach geht es nicht um Kopf- oder Bauchentscheidungen, sondern um ein Zusammenspiel beider Parteien.
Schaut man sich in der aktuellen Forschung zum Thema Intuition um, zeigt sich immer wieder eine Gemeinsamkeit: Solange wir uns im Außen aufhalten, hektisch durch unseren Alltag laufen, allen Anforderungen gerecht werden wollen, ist der Zugang zu unserer inneren Stimme weniger gut verfügbar. Erst wenn wir einmal einen Moment innehalten, besteht die Möglichkeit, der inneren Stimme zu lauschen. Sie hören trotzdem nichts? Ich glaube, dass wir unserer inneren Stimme näherkommen, wenn wir uns eigene Entscheidungen aus der Vergangenheit näher ansehen.
Die folgenden beiden Erlebnisse haben mich meiner inneren Stimme näher gebracht:
Ich war gerade fertig mit dem Studium und auf der Suche nach einem ersten Job, meinem Traum-Job. Ich hatte bereits verschiedene Angebote abgelehnt – nicht interessant genug, zu schlecht bezahlt oder oder oder…
Der Druck, endlich etwas Geeignetes zu finden, baute sich langsam auf. Da schien sich endlich ein interessantes Angebot aufzutun: Key Account in einem mittelständischen Unternehmen in Cuxhaven am Meer, gut bezahlt und mit Entwicklungsmöglichkeiten. Was wollte ich mehr? Alle logischen Argumente sprachen für das Angebot. Das etwas mulmige Gefühl im Bauch, das sich beim zweiten Vorstellungsgespräch eingestellt hatte, als ich den Vorgesetzten meines zukünftigen Chefs kennengelernt hatte, ignorierte ich. Es war schließlich wichtiger, dass ich mich mit meinem direkten Chef gut verstand. Zwei Monate später war ich schlauer. Ich hatte doch wesentlich mehr mit diesem Vorgesetzten zu tun, und die Chemie zwischen uns stimmte leider gar nicht. Da wusste ich: Beim nächsten Mal höre ich auf mein Bauchgefühl.
Ganz anders verhielt es sich, als ich auf Wohnungssuche in Berlin war. Ich hatte mir vorher schon einige Anzeigen herausgesucht und bin dann für ein Wochenende nach Berlin gefahren, um mir quer durch die Stadt verschiedene Wohnungen anzusehen. Keine gefiel mir – zu dunkel, zu laut, zu dicht an der Autobahn, nur Dachschrägen… ich verlängerte meinen Aufenthalt in Berlin noch um den darauffolgenden Montag, um mir noch vier weitere Wohnungen anzusehen. Sollte auch darunter keine geeignete sein, würde ich einfach noch einmal wiederkommen. Auf gar keinen Fall wollte ich eine Wohnung nehmen, die mir nicht gefiel. Am Montagnachmittag sah ich mir die letzte an. Schon als ich in die Straße bog, veränderte sich mein Gefühl. Als ich mit dem Makler die Wohnung betrat, den langen Flur mit den hohen weißen Decken und den Türen im Jugendstil sah, wusste ich: Das ist sie! Diese Entscheidung habe ich nie bereut. Noch heute wohne ich dort und freue mich jedes Mal, wenn ich die Tür aufschließe und mein Blick in den Flur fällt.
Jetzt sind Sie dran: Welche Ihrer Entscheidungen waren rund und stimmig gut und richtig? Welche habe Sie eher in eine falsche Richtung geführt? Was war jeweils ausschlaggebend für die Entscheidung? Mit welchem Gefühl haben Sie die Entscheidung getroffen? Wer war zu dem Zeitpunkt der Entscheidung eher beteiligt? Ihr Kopf oder Ihr Bauch?
Ich bin davon überzeugt, dass jeder Mensch über Intuition verfügt – die einen nutzen sie bereits aktiv und die anderen ignorieren sie bislang noch.